Was Sie wissen sollten, bevor Sie eine Flasche Champagner kaufen

Es hört sich an wie etwas, das mit Zombies in «The Walking Dead» oder mit Ihrem Magen nach einem üppigen Weihnachtsessen passiert, aber das Degorgieren ist tatsächlich ein wichtiger Schritt bei der Herstellung von Champagner.

Das Degorgement

Das Degorgieren ist einer der letzten Schritte bei der Méthode Champenoise (auch bekannt als Methode traditionelle oder Flaschengärung), bei der die toten Hefezellen aus dem Wein entfernt werden. Während der zweiten Gärung werden dem abgefüllten Champagner Hefe und Zucker zugesetzt, der dann «auf der Hefe» ruht, wodurch die von uns so geliebten, sprudelnden Bläschen entstehen. Vorgeschrieben sind mindestens 15 Monate für Nicht-Jahrgangschampagner, also sogenannte Non Vintage (NV), und 36 Monate für Jahrgangschampagner.

Wenn der Champagner versandfertig ist, werden die Flaschen auf den Kopf gestellt und aufgerüttelt, damit die Hefezellen in den Flaschenhals rutschen. Dann werden die Flaschenhälse in eine eiskalte Salzlake gelegt und entkorkt. Dabei speit der Flaschendruck den Hefeklumpen heraus, so dass der reine Champagner zurückbleibt. Schliesslich wird die sogenannte Versanddosage – eine kleine Menge Zuckerwasser oder Stillwein – hinzugefügt und die Flasche wieder verkorkt.

Ist das wirklich wichtig?

Ja, das ist es. Denn nach dem Degorgieren gelangt eine winzige Menge Sauerstoff in die Flasche, die sich auf den Geschmack des Weins auswirkt, während er in der Flasche weiter reift. Die meisten Jahrgangs- und Nicht-Jahrgangschampagner werden im Laufe ihrer Veröffentlichung drei bis fünf Mal degorgiert, einige Produzent*innen tun dies sogar sehr viel häufiger. Was heisst das? Der Winzer wird nicht alle Flaschen, die er produziert hat, auf einmal degorgieren, sondern Stück für Stück und je nach Bedarf und Geschäftsverlauf. Ein klassischer Fall von „same same, but different“, wenn Sie verstehen was damit gemeint ist.

Wer sich ein wenig mit Champagner auskennt, der weiss, dass Champagner, der länger auf der Hefe gelegen hat, auch frischer und komplexer schmeckt, als eine Flasche desselben Jahrgangs, die früher degorgiert und dann eine Zeit lang gelagert wurde. Ergo sind später degorgierte Flaschen mit grosser Wahrscheinlichkeit besser als andere. Das führt soweit, dass gewisse Produzenten ein sogenanntes «Degorgement Tardif» führen, also einen Champagner, der bis zu zehn Jahre oder länger auf der Hefe lag als der «normale». Jaquesson DT ist zum Beispiel so ein Champagner. Dieser wird fünf Jahre später, als sein „kleiner Bruder“ degorgiert. Total also über 8 Jahre auf der Feinhefe.

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen einen 94-Punkte-Champagner bei Ihrem Weinhändler. Sie kommen nach Hause und stellen fest, dass Ihre Flasche 12 Monate früher degorgiert wurde als die Flasche, die der Kritiker bewertet hat. Die Chancen stehen gut, dass beide Flaschen sehr ähnlich schmecken, aber die später degorgierte Flasche des Kritikers schmeckt etwas frischer und knackiger, während Ihre Flasche dank der Oxidation vielleicht eine vollere, reichere Seite zeigt. Das wäre kein Weltuntergang, aber Sie wären sicher enttäuscht darüber, eben nicht DIE Flasche bekommen zu haben, die sie eigentlich kaufen wollten.

Der bekannte Weinkritiker Antonio Galloni sagte sogar, dass er keinen Champagner bewerten würde, bei dem das Degorgierdatum nicht angegeben ist, und erklärte: «Wenn ich einen Champagner ohne Jahrgang von Hersteller X hoch bewerte, möchte ich wissen, dass meine Leser in der Lage sind, ihn zu lesen und denselben Wein auch finden können.»

Degorgierdatum

Hier kann man das Degorgierdatum gut erkennen. Oft wird auch das exakte Datum angegeben.

Während Kritiker und Verbraucher die Angabe des Degorgierdatums auf den Etiketten zu befürworten scheinen, erklärte Antoine Malassagne, Winzer und Manager von AR LeNoble, gegenüber dem Weinmagazin Decanter: «Ich befürchte, dass die jüngste Besessenheit mit dem Degorgierdatum den Weinherstellungsprozess in der Champagne auf unbedeutende Zahlen reduziert, die von den meisten, die darüber sprechen, nicht verstanden werden.»

Und die Produzenten?

Einige Erzeuger nehmen eine proaktivere Haltung ein. Bollinger etwa hat mit der Angabe „Récemment Dégorgé“ Pionierarbeit geleistet. Wer das tut und wer nicht, ist aber ganz unterschiedlich. Generell kann man vielleicht sagen: Je mehr Flaschen es von etwas gibt, desto weniger steht es auf der Etikette. Bei den allermeisten Winzer-Champagner, den sogenannten Recolte-Manipulants, kurz «RM» wird das der Fall sein. Denn im heutigen Zeitalter der zunehmenden Transparenz sollten sich die Marken bemühen, die Verbraucher aufzuklären – mehr, und nicht weniger Informationen sind gefragt. Verbraucher, denen das Datum der Degorgierung wichtig ist, werden diese Bemühungen sicherlich zu schätzen wissen.

Was lernen wir daraus? Probieren Sie mal die unterschiedlichen Hefelagerungen und Sie werden merken, wie frappant unterschiedlich die Weine sich präsentieren. Und wenn Sie das nächste Mal monieren, dass Champagner «teuer» sei, dann führen Sie sich vor Augen, wie lange so ein Produkt in der Herstellung braucht, bis es endlich auf den Markt kommt. Und dann fragen Sie sich, wie Sie, wenn Sie denn selbständig wären, davon leben könnten, wenn Sie erst mal 5 Jahre warten müssten, bis Sie die erste Rechnung schreiben könnten. E voia!

Probieren Sie Champagner mit besonders langer Hefelagerung z.B Tarlant Brut Zero, der ganze acht Jahre auf der Hefe lag oder wählen Sie aus einem unserer Probierpakete zum kennenlernen.

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